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Eine kleine Geschichte



Bild1 Nein, es war wirklich kein freudiger Abschied, als das junge Paar die kleine Siedlung verlassen musste. Nur das Nötigste hatte man ihnen mitgegeben. Kaum halbvoll war der kleine Handkarren geladen, den sie nach eindringlichem Bitten vom Dorfobersten bekommen hatten. Die wenigen Werkzeuge waren zu unterst festgezurrt. Ein paar Felle, deren Wert sie spätestens in ein paar Wochen in den doch dann sicherlich schon recht kühl werdenden Nächten schätzen lernen würden, durften sie mitnehmen. Und etwas Nahrung, die aber kaum solange reichen würde, bis sie auf ihrem Weg Beeren und vielleicht sogar Früchte finden würden. Mit etwas Glück würde ihnen vielleicht der Fang eines Kaninchens oder einer Schnepfe gelingen. Wie zu erwarten, war es sinnlos nochmals am Grubenlager vorbei zugehen und die Häuptlingsfrau um etwas mehr Wegzehrung zu bitten. Nicht ohne Grund hatte sie einen Wächter neben der Eingangstür postiert. Zu groß war ihr Misstrauen.


Bild2 Der einzige Weg, der die Ausgestossenen aus der kleinen Hochebene hinaus in die unbekannten Weiten führte, führte sie an dem kleinen Tannenwald vorbei. Ausgerechnet hier mussten sie ihren beschwerlichen Weg beginnen. Ausgerechnet hier, wo wie an fast jedem Vormittag, ER den notwendigen Kleinholzvorrat für die Feuerstellen besorgte und Bäume zur Verarbeitung als Baumaterial schlug. Er war es gewesen, der bereits frühzeitig den Ausschluss der beiden aus der Dorfgemeinschaft forderte. Er hatte als erster ihr Interesse an dem neuen Gott, am Christentum bemerkt, geweckt durch die wenigen Händler und sonstigen Umherziehenden, die aus den grossen Städten die neuen Gedanken verbreiteten. "Wer sind diese beiden denn, dass sie sich von den germanischen Gottheiten und an ihrer obersten Stelle von Thor lossagen. Sind ihnen die germanischen Bräuche denn gar nichts mehr Wert. Ein Verrat an den Vorfahren und deren Vorfahren, der mit dem Tode betraft werden muss", so hatte er damals gefordert. Aber der Dorfälteste hatte die Gemeinschaft zum Ausstoss der Abtrünnigen aus der Sippe umstimmen können. Es musste sich noch beweisen, ob das Paar damit wirklich das bessere Los gezogen hatte. Ohne dass ER sie eines Blickes würdigte und ständig bemüht ihnen direkt den Rücken zuzuwenden passierten sie wortlos den letzten Menschen den sie wahrscheinlich für lange Zeit antreffen würden.


Bild3 Es war ein beschwerlicher Weg, ein Weg voller Überraschungen, die sich meist als sehr gefährlich herausstellten. Tagelang waren sie bereits unterwegs, häufig genug gezwungen, einen bereits absolvierten Weg, der sie gut und gern einen halben Tag gekostet hatte, nochmals in umgekehrter Richtung zu gehen. Immer wieder stiessen sie mit ihrem viel zu schweren und schlecht zu manövrierenden Handkarren nach einer Wegbiegung auf unüberwindbare Hindernisse. Eine tiefe Schlucht, die Hinterlassenschaften eines Moränenabganges oder eine Wand aus umgestürzten Bäumen, die dem letzten Orkan nicht trotzen konnten und ein kilometerweiter Marsch stellte sich als vergebens heraus. Hier, immer noch nahe den höchsten Bergen die man weit und breit kannte, hatten sie offensichtlich wenig Glück auf ihrer Suche nach einer besseren Zukunft. Und schon hatte die Natur hinter der nächsten kleinen Baumgruppe, nahe an den schroffen Abhängen des felsigen Berges die nächste Herausforderung für die Wanderer parat: Die gewaltige Macht der Wildnis stellte sich den Gefährten in Form eines gewaltigen über zweieinhalb Meter grossen Braunbären in den Weg. Kein noch so schneller Lauf, kein schnell vom Karren gegriffenes Werkzeug als Waffe hätte sie aus dieser lebensbedrohenden Situation retten können. Der lange Marsch schien hier und jetzt nicht nur seinen negativen Höhepunkt sondern auch ein schmerzliches Ende nehmen zu wollen. Doch nach einem endlos scheinenden Moment der Stille, in dem sich hilfloser Mensch und gefährliche Natur so nah wie selten waren, wurde dem aus Angst fast erstarrten Paar, wie von höherer Macht verkündet, klar, dass dies noch nicht das Ende ihres jungen Lebens sein musste. Fast wie von fremder Hand geleitet zog der junge Germane seinen Karren ruhig an dem Ungetüm vorbei und entschwand zusammen mit seiner jungen Frau langsam aus dem Blickfeld des Bären.


Bild4 Das Schicksal der ausgestossenen schien mit dieser Begegnung eine plötzliche und unerwartete Wendung zum Guten genommen zu haben. Sie fanden gute Wege und sogar ausreichend Nahrung um über stetig leichtes Gefälle schon bald zügigen Schrittes die Gebirgslandschaften hinter sich lassen zu können. Vor ihnen tat sich ein fruchtbares Tal auf, das wohl bisher noch von kaum einem Menschen betreten, geschweige denn besiedelt worden war. Ein kleiner, träge dahin plätschernder Bach sorgte für ausreichend Feuchtigkeit um eine üppige und vor allem viel Nahrung produzierende Vegetation zu versorgen. Eine Biberfamilie hatte die ruhige Lage genutzt und einen Damm gebaut, der in dem nur sehr flach abfallenden Gelände eine grosse Wasserfläche gebildet hatte, die an den Rändern kaum knöcheltief war. Es fiel dem Paar nicht schwer, hier am Seenrand eine geeignete Stelle zu finden, die wie geschaffen für eine feste Behausung war. Eine kleine Landzunge, nah genug an dem fischreichen Gewässer, wurde schnell als neuer Standort ausgewählt.


Bild5 Das handwerkliche Geschick unseres jungen Germanen und das durch zahlreiche Bäume zur Verfügung stehende Baumaterial liessen in wenigen Tagen den Traum von einem einfachen aber praktischen Wohnhaus wahr werden. Das am Ufer in grossen Mengen wachsende Schilf konnte den Bedarf für die Dachbefestigung schnell decken und die zahlreichen Weiden lieferten genug junge biegsame Triebe zur Vervollständigung der Häuserwände und Erstellung von Körben und anderem Bedarf. In der näher rückenden Herbstzeit liess die Feuchtigkeit grosse Mengen an Pilzen emporspriessen, so dass die mit der Nahrungsversorgung beschäftigte Frau kaum die Nähe der Behausung verlassen musste, um eine komplette Mahlzeit zu finden. Die Versorgung mit Fleisch und Fisch stellte keine Probleme dar, so dass bereits erste Vorräte für die nahenden kälteren Jahreszeiten angelegt werden konnten.

Hätte unser junges Paar aber jetzt bereits gewusst, was in den kommenden Monaten an Herausforderungen auf sie zukommen würde, hätten sie ihren Entschluss zum dauerhaften Verbleib an diesem Ort bestimmt nochmals überdacht...

(Konquistador)




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