|
Wendelin
(von Ralf)
Wendelin
war schon als kleines Kind immer schon tollpatschig. Einmal bekam
er beim Spielen den Dolch seiner Mutter in die Hände und
stach sich ins Bein, das nächste Mal verlor er beim Angeln
die erbeuteten Fische oder verbrannte sich am Bachofen den Arm.
Er zog einfach das Unglück an. Auf der anderen Seite hatte
Wendelin aber einen recht kluger Kopf, der immer voller Ideen war
und er zeigte auch große Begabung im Umgang mit dem Vieh.
Wendelin
war seit einem Jahr schon volljährig und frisch in die
hübsche und fröhliche Gelsa verliebt. Er konnte sein
Glück gar nicht fassen, denn auch Gelsa mochte ihn. Das war
ihr deutlich anzusehen. Auch sie würde zum Ende des Sommers
mündig werden. Wendelin freute sich schon darauf, denn dann
würde er sie fragen, ob sie ihn zum Manne nehmen wolle.
Eines
Tages gingen die Männer des Dorfes wieder auf die Jagd. Aber
Ulf, Rainer und Falko wollten Wendelin nicht gerne zum jagen
mitnehmen. Seine Tollpatschigkeit war bereits sprichwörtlich.
Daher stimmten sie sich untereinander ab und kamen zu dem Schluß,
daß sie ohne Wendelin jagen gehen würden. Wendelin
sollte in der Zwischenzeit auf das Vieh Obacht geben und er hätte
auch Zeit sich um die Fische zu kümmern, die die Frauen am
See fangen würden. Auf diese Weise, dachten sie, würde
er zumindest kein Wild vertreiben. Auch die Frauen waren recht
dankbar, denn so konnten sie in aller Ruhe fischen. Wendelin
würde die Fische dann abholen und räuchern.
Auch Wendelin wäre
dies recht, denn so konnte er nahe bei Gelsa sein. Sobald
Wendelin sich ausreichend um das Vieh gekümmert hatte, holte
er dann auch die ersten Fische bei den Frauen ab um sie zu
räuchern. Im Dorf zurückgekehrt begann er gleich damit
das Räucherholz anzuzünden und die Fische zu räuchern.
Die Sonne stand schon recht hoch und die Männer hatten
gestern Nachmittag den jungen Met probiert. Wie gewöhnlich
ging es dabei recht fröhlich her. Auch die Vorfreude auf die
Jagd tat ihren Teil dazu bei und so tranken sie alle mehr, als
ihnen gutgetan hätte. Das machte sich auch bei Wendelin nun
bemerkbar. Die heiße Sonne im Rücken und den Rauch in
den Augen fiel er recht bald in einen tiefen Mittagsschlaf. So
merkte er auch nicht, wie der Wind langsam das Feuer in der
Räucherhütte anstachelte. Ein paar kleine, glühende
Funken begannen durch die Luft zu schweben. Zuerst passierte
nichts, doch dann fing plötzlich die Räucherhütte
an zu brennen. Doch niemand bemerkte es. Keiner war mehr im Dorf.
Nur Wendelin - und der schlief in aller Seelenruhe.
Es
dauerte nicht lange, und dann begann sich das Feuer sogar auf das
nahe Wohnhaus auszubreiten. Das war eine Katastrophe. Vom
Auflodern des Feuers geweckt, bemerkte Wendelin zu spät, daß
das Feuer ausgebrochen und sogar auf das Wohnhaus übergegriffen
hatte. Nun konnte er nichts mehr tun als zuschauen, wie alles
niederbrannte.
Es
dauerte auch nicht lange und die Frauen bemerkten das Feuer und
kamen vom nahen See angerannt. Auch die Männer rochen den
Rauch und konnten aus der Ferne den Feuerschein sehen.
Mitten unter der
Jagd mußten sie abbrechen. Jetzt war es wichtiger zu sehen,
was im Dorf passiert war. Waren wieder die Römer unterwegs
und brandschatzten ihr Dorf? Ulf und seine Männer beeilten
sich zurück zu kommen.
Im
Dorf angekommen, konnten sie sich vom Ausmaß der Verwüstung
überzeugen. Sie waren mehr als erbost. Es war nun schon der
Sommer fast vorüber und der Winter stand bevor. Die
Erntezeit war fast schon vorbei. Und nun war ein Großteil
der Ernte dem Raub der Flammen zum Opfer gefallen.
Jeder war von der
Schuld des Wendelin überzeugt. Schon am nächsten Abend
würde Ulf als der Sippenälteste sein Urteil sprechen.
Es würde ein hartes Urteil sein, denn das Wohl der Sippe
stand nun in Gefahr. Und das war das schlimmste, was der kleinen
Gemeinschaft passieren konnte.
Vor
dem Urteil huldigten sie den Göttern. Es war wichtig, das
richtige Urteil zu treffen und die Götter dadurch nicht noch
mehr zu erzürnen. Alle wollten sich zur Verkündung des
Urteils beim heiligen Pferd versammeln.
Falko und Rainer
flankierten hierbei den schuldbewußten Wendelin. Er war auf
alles gefasst. Doch das Urteil traf ihn hart. Ulf verkündete:
"Du wirst für drei Jahre als Kämpfer an die Römer
verkauft!" Das war ein schwerer Schlag für Wendelin.
Das Römerlager war nicht weit entfernt und so machte man
sich gemeinsam auf den Weg. Nicht zuletzt auch deswegen, weil man
von dem Preis, den man für Wendelin erzielen wollte auch
wieder Nahrungsmittel bei den Römer eintauschen mußte.
Das Urteil von Ulf war zwar hart, aber er war auch ein weises
Oberhaupt und so nutzte sein Urteilsspruch der ganzen Sippe. In
voller Tracht und mit vollem Klang der Luren schritt man auf das
Römerlager zu. Bald war der Preis ausgemacht und Wendelin
dem Garnisonführer übergeben.
Für Wendelin
begann damit eine harte Zeit. Er mußte viel lernen und hart
arbeiten unter dem Joch der Römer. Aber es hatte auch etwas
gutes für ihn. Er lernte seine Tollpatschigkeit abzulegen
und wurde hart im nehmen. Und wenn es für Wendelin auch eine
lange Zeit war, so gingen die 3 Jahre dann bald zu Ende.
Nach
über drei Jahren traf es sich, daß er im Frühjahr
mit einer Kohorte gerade in der Nähe seines alten Dorfes
unterwegs war. Also ging er zu dem Zenturio ließ sich den
Rest seines Dienstgeldes auszahlen und musterte aus.
Dann ging es so
schnell wie möglich zum Dorf zurück. Dort angekommen
ging Wendelin sofort zu Ulf und bat ihn darum, wieder als Freier
Mann in der Dorfgemeinschaft aufgenommen zu werden. Ulf
versprach, darüber mit den Männern im Thing zu beraten.
Doch vorher solle er seine Tüchtigkeit und seinen Nutzen für
die Sippe als Halbfreier unter Beweis stellen. Sogleich begann
Wendelin mit dem Bau eines Hauses, in dem er später mit
seiner zukünftigen Frau leben könnte.
Er bekam auch ein
Stück Land von Ulf zugewiesen, das er bebauen konnte.
Während der folgenden Monate arbeitete Wendelin schwer. Er
setzte alles daran, wieder in die Gunst der Sippe zu gelangen.
Auch war er nun längst nicht mehr so ungeschickt, wie er es
in jungen Jahren immer wieder war. Alle konnten das sehen. Sein
Ertrag, den er für die Sippe beisteuerte, war recht
ansehnlich. Er war nun auch erfolgreich und fleißig in der
Jagd.
So
wurde Wendelin beliebt bei allen im Dorf. Auch Ulf sah dies. So
machte sich Ulf auch stark im Thing und noch im gleichen Jahr
wurde er als Freier wieder in die Dorfgemeinschaft aufgenommen.
Wendelin hatte noch mehr Glück: Auch Gelsa war noch nicht
vergeben. Und so hielt er um ihre Hand an. Gelsa willgte gerne
ein, denn sie konnte sehen, daß Wendelin nun nicht nur
fleißig und geschickt war, sondern als Freier war er auch
wieder ein vollwertiges Stammesmitglied. Beide lebten in den
nächsten Jahren recht friedlich und hatten gutes Gedeihen.
So bekamen sie auch in Jahresfrist noch ein kleines Mädchen
das recht schnell heranwuchs.
So begann für
Wendelin und Gelsa eine Segensreiche Zeit. Natürlich blieb
es nicht bei einem Kind. Es wurden schnell mehr und mehr Kinder.
Und die Beiden konnten alle ernähren und groß werden
sehen. So hatte die Sippe durch den einstigen Tollpatsch Wendelin
doch noch einen großen Nutzen.
|