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Deutsche Sprache - römische Sprache?

Der Titel ist natürlich gewaltig überzogen, aber wer weiß denn eigentlich, wieviel die Germanen an Worten von den Römern übernommen haben? Eine kleine Geschichte soll Euch ein bisschen aufklären. Trotz alledem konnten die Römer Germanien nie vollständig besetzen (alles westlich davon kann dies nicht behaupten).

Unten übrigens zwei Grafiken, die ich für den S3Editor, der leider nie fertig wurde, entworfen habe.



Wolfhard zu Besuch bei seinem römischen Freund - Teil 1: das Haus

Wolfhard pflegte seit geraumer Zeit eine enge Freundschaft mit einem römischen caupo (1). Von ihm hatte er im Tauschhandel schon so manche dringend benötigte Ware erworben. Endlich besuchte er ihn in dessen Haus. Für ihn als Germanen war die Bauweise der Römer schon ein wenig aufwendig (“für etwas ausgeben, einsetzen“, eigentlich „auf die Erreichung eines Zieles hinwenden“, wieso dann also aufwändig???).

Raculus lebte in einem Haus, das steinerne Wände besaß, was für Wolfhard zuerst ungewöhnlich war. Diese Wände waren verputzt mit calx (2). Da dies wie ein Kleid für die nackten Wände war, sprach man später von kalke tunihhõn (3). In den Wänden, was übrigens vom Winden der Weidentriebe um die senkrechten Stangen zwischen dem Fachwerk des germanischen Hauses kommt, befanden sich fenestra (4). Sie erhellten die Räume des Hauses.

Der Fußboden war nicht aus Lehm, sondern aus einem anderen Material, und wurde witzigerweise emplastrum(5) genannt. In anderen Häusern wurde der Boden mit einem zähen Gemisch aus Ziegelscherben und Kalk bestrichen, der sich astracus (6) nannte. Wolfhard kannte nur den gestampften Lehmboden der germanischen Häuser.

Wolfhard sah im Haus auch verschieden lange postis (7), die einen waren longus (8) und die anderen curtus (9). Sie dienten als Stützen.

Für das Dach des Hauses wurden hier tegula (10) verwendet, anderswo scindula(11). Diese waren wohl haltbarer als die Reeddächer, die Wolfhard kannte. Unter dem Dach befand sich ein spicarium (12). Hier ließ sich vortrefflich Getreide lagern. Genau entgegengesetzt, also unten, befand sich das cellarium (13). Nach diesem Rundgang freute sich Wolfhard auf das üppige Mittagessen.

Das nächste Mal wird Wolfhard mehr über den Handel erfahren.





1.   caupo, ahd. Koufo, Kaufmann
2.   calx, Akkusativ calcem, Kalk
3.   tunihhõn: lat. Tunica: „Kleid“, ahd. tunihha, tünchen
4.   fenestra, Fenster
5.   emplastrum: „auf eine Wunde aufgelegter Verband mit Salbe“, Pflaster
6.   astracus,ahd. Astrih,astirih, Estrich
7.   postis, Pfosten
8.   longus, lang
9.   curtus, kurz
10. tegula, ahd. ziagala, Ziegel
11. scindula: „Holzbrettchen“, Schindeln
12. spica, „Ähre“,spicarium: „Raum für die Lagerung der Ähren“, ahd. spihhãri, Speicher
13. cellarium: „Speise- oder Vorratskammer“,Keller

Ahd. = althochdeutsch


Die Erklärungen stammen aus: WORTGESCHICHTE, Herkunft und Entwicklung des deutschen Wortschatzes, Dudenverlag



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